Der Weg zum Land Niedersachsen
Niedersachsen ist ein junges Land, das aber an alte Traditionen anknüpft. Sein Name erinnert an den Stamm der Sachsen, dessen Siedlungsgebiet sich über das heutige Niedersachsen und Westfalen erstreckte. 1180 verweigerte Heinrich der Löwe, der mächtige Herzog der Sachsen, dem Kaiser die Gefolgschaft. Heinrich, der Welfenherzog, wurde gestürzt, der Titel "Herzog von Sachsen" kam an das Geschlecht der Askanier, das in verschiedenen Linien Territorien an der Elbe regierten. Durch genealogische Zufälle konnten 1423 die Markgrafen von Meißen das askanische Herzogtum Sachsen-Wittenberg erwerben. Der Titel "Herzog von Sachsen" überlagerte als der angesehenere den der Markgrafen. So erklärt es sich, dass heute drei Bundesländer den Namen Sachsen tragen: Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Sachsen.
Der Name "Niedersachsen" begegnet zuerst vor 1300 in einer niederländischen Reimchronik. Seit dem 14. Jahrhundert bezeichnete er (im Gegensatz zu Sachsen-Wittenberg) das Herzogtum Sachsen-Lauenburg. Eine weitere Wirksamkeit erlangte er, als die Territorien des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) zur Wahrung des Landfriedens 1512 bzw. 1522 sogenannten Reichskreisen zugeteilt wurden. Der niedersächsische Reichskreis umfasste die Gegenden zwischen Weser und Elbe, dazu Holstein und Mecklenburg. Neben dieser reichsrechtlichen Bedeutung fanden im kulturellen Bereich die Begriffe "Niedersachsen", "niedersächsisch" in gleicher Bedeutung wie "Niederdeutschland", "niederdeutsch" Verwendung.
Neue Impulse brachte das 19. Jahrhundert. Mit der Gründung des Historischen Vereins für Niedersachsen 1834 bezog man sich einerseits auf eine umgangssprachliche Begriffsverwendung, wollte aber andererseits vor allem die Geschichte der alten welfischen Lande Hannover und Braunschweig erforschen. Nach der Annexion Hannovers durch Preußen (1866) sollten niedersächsische Traditionen die Begründung abgeben, um Hannover auf neuer, erweiterter Grundlage wieder erstehen zu lassen. Diese Strömung verband sich um 1900 mit der aufkommenden Heimatbewegung, die sich an kulturellen, nicht an territorialen Grenzen orientierte. Um diese Zeit verankerte sich ein "Niedersachsenbewusstsein" in den Köpfen.
Nach 1918 gehörte die Reform des Deutschen Reiches zu den dringlichen Problemen. Zahlreiche Broschüren, Zeitungsartikel und Reden forderten einen niedersächsischen Bundesstaat. Die hannoversche Provinzialverwaltung förderte solche Bestrebungen. Die Vereinigung niedersächsischer Handelskammern zeichnete einen Raum vor, der - über die Grenzen des heutigen Landes Niedersachsen hinaus - Ostwestfalen bis zum Teutoburger Wald einschloss. Die systematische Erforschung dieses Gebiets betrieben die Historische Kommission (für Niedersachsen) sowie die Wirtschaftswissenschaftliche Gesellschaft zum Studium Niedersachsens. Die Ergebnisse flossen 1928 in eine umfangreiche Denkschrift über das niedersächsische Wirtschaftsgebiet und dessen staatliche Gliederung ein. Auf diese Darlegung und viele andere Untersuchungen konnte man sich 1946 beziehen, als das Land Niedersachsen Wirklichkeit wurde.
Denkschrift zur Errichtung eines Landes Niedersachsen (1928)